Hier und jetzt - Das Mindset der Wildnispädagogik

Warum fällt es uns nur immer wieder so schwer, im Augenblick zu leben und damit im eigentlichen Sinne “wirklich” zu leben? So oft, ja meistens, verpassen wir unser Leben, während es stattfindet, indem wir auf der Suche nach ihm sind. Unser Leben gehört nicht uns, wir gehören unserem Leben. Es ist sicher wichtig und sinnvoll, Visionen zu haben, Träume , Wünsche von einem Leben, in das wir hineinwachsen wollen, in vielleicht 10 Jahren, und indem wir imaginieren, entwickelt sich unser Leben vielleicht in diese Richtung. Mit Rilke gesprochen: Lebe die Fragen, und vielleicht lebst du eines Tages ganz von alleine in die Antworten hinein.
Bild von einem See mit Steinen
Es ist sicher auch wichtig und menschlich, kleinere Ziele und Wünsche zu haben, z. B. die nächste Reise, die geplant ist, die Suche nach einer neuen Wohnstätte oder ein Berufswechsel. Und dann gibt es die 24- Stunden- Taktik, um mit den Worten der anonymen Alkoholiker auf dem Weg zur Heilung zu sprechen, “”nur für heute”, nur 24 Stunden. Das ist ein Zeitabschnitt, in dem wir in der Lage sind, gesetzte Ziele umzusetzen. Nur heute esse ich keine Schokolade, nur heute rauche ich keine Zigarette, nur heute schreie ich meine Kinder nicht an oder was auch immer. Kleine Schritte gehen. Die Vorstellung, einen körperlichen Schmerz vielleicht den Rest des Lebens aushalten zu müssen, macht uns ohne Frage Angst. Mit dem Erspüren, wie er gerade eben ist, gelingt es uns vielleicht, ihn in diesem Moment zu akzeptieren und uns von der Bürde der nächsten zwanzig Jahre zu lösen. Und falls er dennoch für diesen Moment nicht auszuhalten ist, können wir uns auf die Achtsamkeit besinnen, die uns die Möglichkeit gibt, den Raum zu weiten, den Schmerz als einen Teil zu sehen, dankbar und wertschätzend zu sein, für das was er- der Schmerz-  uns lehrt und dankbar für alle Dinge, die auch noch in unserem Leben und Bewußtsein Platz finden.

Und dennoch: sind wir wirklich dabei, während wir leben, oder sind wir von unserer Zukunft, unserer Unzufriedenheit mit dem, was ist oder unserer Vergangenheit mit allem Erlebten so vereinnahmt? Sicher, wir meditieren vielleicht, machen autogenes Training, gehen im Wald spazieren, versuchen zu genießen, indem wir schöne Augenblicke ausdehnen…Um immer wieder festzustellen, dass wir nicht wirklich hier sind, oder zumindest in den seltensten Fällen. Warum nur driften wir in diese unwirklichen Räume, wo doch das ganz und gar Wahrnehmen dessen, was gerade jetzt ist, unser Leben ausmacht? Wo wir unser Leben verpassen, während es stattfindet?  Haben Tiere, Kinder und Pflanzen uns das nicht voraus, dass sie ganz und gar hier sind und es für sie gar keine andere Wirklichkeit gibt? So viele Techniken helfen uns: den Atem wahrnehmen, auf Geräusche hören, den Körper spüren, Schmerz auch ist ein guter Lehrer, er verbindet uns mit dem, was gerade ist. Und doch: wir “üben”, erinnern uns und fliehen dennoch vor dem, was gerade ist. Immer wieder verlassen wir diesen Raum des Gewahrseins, zieht uns der “schwarze Glibber” magisch an.
die Milchstrasse
Vielleicht ist ein Grund dafür, dass der Mensch wählen kann oder zumindest glaubt, es zu können. “Gibt es einen freien Willen?” Das Leben in der Dualität, das kurz nach der Geburt beginnt, ist Fluch und Segen, wie so vieles, Yin und Yang, Tag und Nacht, ist Dualität selbst. Wir verlassen den Raum des Friedens, um zurückkehren zu können, um diesen Raum vielleicht überhaupt erfahren zu können, um die Sehnsucht nach ihm durch die Trennung zu spüren. Können wir doch Wärme durch Abwesenheit der Kälte, Dunkelheit als das Verlöschen des Lichts und so weiter erleben. Mein Meditationslehrer antwortete mir auf meine Frage, wann und wie ich endlich Frieden finden könnte mit den Worten: Frieden gibt es, wenn du stirbst. Bis dahin fallen wir jeden Tag vielfach aus unserem Paradies- wenn wir es überhaupt bemerken und nicht durch Ablenkung vollkommen von uns entfernt sind.Ein weiterer Grund ist vielleicht der- ja fast schon- Zwang der Selbstoptimierung. Allein dieses Wort lässt mich schaudern, sind wir doch in unserem Wesen einzigartig  und in gewissem Sinne deshalb vollkommen. 

Warum nur wollen wir uns dennoch ständig verändern, verbessern, vergleichen mit anderen? Natürlich funktioniert so Entwicklung, auch Reifung, und in gewissem Maß ist  das soziale Vergleichen auch gesund und wichtig, um den eigenen Platz, Standpunkt, den Ort, an dem wir uns gerade befinden, besser zu erkennen. Es dient der Orientierung. Und doch sehnt sich ein Teil in uns danach, nur zu sein, nicht zu werden, zu ruhen, zu entspannen. Ist es nicht im Leben wie auf einer anstrengenden Wanderung: wir gehen und schwitzen und sind müde und dann rasten wir, um danach weiter zu gehen. Yin und Yang, Sein und Werden. Ist das nicht in gewissem Sinne auch ein Paradox, jemand werden aber gleichzeitig nur sein zu wollen?

Und ein dritter Grund ist einfach die Langeweile unseres Geistes. Kaum ein Augenblick des Friedens springt er auf wie ein kleines Kind und fragt: “und, was machen wir jetzt”? Loslassen heißt nicht, etwas loswerden zu wollen. Es heißt vielmehr, es sein lassen zu können, wie es ist. Wenn wir also mit dem, was wir wahrnehmen unzufrieden sind , widerständig oder es verändern wollen, lassen wir auch das los, indem wir es sein lassen, wir bemerken es und lassen uns auf den nächsten Augenblick unseres Lebens ein.Ganz wie Kinder, neugierig und erforschend.

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